Farbe bekennen! Auch wir sind dabei!
Farbe bekennen! So nannte sich ein Tanzprojekt des HEKS, das die Idee eines Begegnungstages von Menschen aus der Schweiz und Menschen, die auf der Flucht aus ihren Heimatländern in der Schweiz angekommen sind, umsetzen wollte.
In der Bahnhofhalle Zürich würden wir alle zusammen tanzen. Unser Tanzjahr war schon weitgehend geplant,als die Anfrage hereinschneite, dennoch liessen sich, dem grossen Einsatz der Organisatoren sei Dank, Ort und Zeit finden für die Vorbereitung. Und auch genügend Teilnehmer kamen von beiden Seiten,von uns Volkstänzern und von den Flüchtlingen aus den verschiedensten Ländern, Männer und Frauen.
Schon an den vier Abenden zum Einüben der Tänze herrschte eine heitere Stimmung. Mit viel Offenheit machten unsere ausländischen Gäste die Tänze mit, auch wenn vieles daran ihnen wohl sehr fremd war, von den neuartigen Schritten über das paarweise Aufstellen bis zum Partnerwechsel.Bruno Gschwind war bei uns in Basel der“Regisseur”, gab voll Power die Instruktionen, verteilte Tanzkundige und Neulinge so, dass die Tänze bald wie geschmiert liefen.
Die Temperaturen liessen uns Teilnehmer Bäche schwitzen; in den Pausen gab es Getränke und kleine Knabbereien und schon da Begegnungen und viele Gespräche, teils ernsthaft, teils witzig, voll Schalk, allen Umständen zu Trotz : “Woher kommst du?” – “Aus Liestal...” so die verschmitzte Antwort des jungen Afghanen, der wohl lieber nicht daran erinnert wurde, was vorher war.
In prächtigen Gewändern aus ihren Heimatländern kamen die einen am Sonntag,10 Juni daher, andere hatten sich eine Schweizer Tracht ausgeliehen, und so versammelte sich ein wunderbar bunter Haufen in der prächtig dekorierten Bahnhofhalle.
Mit schweizerischer Pünktlichkeit wurde begonnen. Andrea Schmid sagte gekonnt die Tänze an. Das Publikum - es wurden immer mehr Leute – hatte nicht lange nur die Möglichkeit zuzuschauen und zu staunen, schon bald wurden auch die Zuschauer mit in den Tanz hereingezogen. Zwischendurch gab es Vorführungen, und die Organisatoren des Anlasses machten auf den Sinn aufmerksam: dass wir hier in unserem Land Menschlichkeit an die oberste Stelle setzen sollen.
Damit nicht genug: wir hatten zwei wunderbare Musikgruppen, die spielten: die Effiger Husmusig spielte traditionell zu den Schweizer Volkstänzen, und SULP (Swiss Urban Ländler Passion) begleitete die Tänze im zweiten Teil auf ihre ganz eigene Art, die manchmal auch ins Rockig-Jazzige ging, und sie traten auch für sich auf. Die muss ich wieder mal hören!
Ebenfalls trat ein Jodel-Ensemble auf: “Die rote Zora”. Drei Frauen und ein Mann jodelten auf ganz verschiedene Weisen, manchmal hörte man einen leicht finnischen Joik-Touch dabei, ein anderes Mal drangen Klänge durch, die an osteuropäische Gesänge erinnerten, und doch war das Ganze im Grunde genommen ur- schweizerisch, so bunt ist unsere Musik.
Dann kam der sportliche Star des Tages: Olympia-Sieger Donghua Li führte seine kunstvollen Sprünge über dem Pferd vor wie in alten Tagen, fit wie ein Gummiball, und mit dem gleichen Elan signierte er danach Karten, liess sich mit unzähligen Leuten fotografieren – da waren so viele, dass ich weder zu einer Karte noch zu einem Wortwechsel mit ihm kam; es war mir schon genug, diesen Meister einmal live ganz aus der Nähe zu sehen.
Ich erwähne hier nicht alle Referenten, und auch nicht alles, was es sonst noch gab, vom Wettberwerb um ein Nachtessen mit Gilles Tschudin über Raclette, Kuchen, Begegnungen der ausländischen Teilnehmer mit Landsleuten, die ohne den Anlass nie stattgefunden hätten, da würde mein Bericht schon bald doppelt so lang. Schön war, dass der ganze Tag ohne unliebsame Zwischenfälle verlief,keine provozierenden Pöbeleien, weder Diebstahl noch Übergriffe anderer Art.
Schon ging es auf den Abend zu. Geflüchtete wurden auf die Bühne gebeten, um sich vorzustellen und zu berichten, was ihnen dieser Tag, was ihnen der Verbleib in der Schweiz bedeute. Ihre Aussagen berührten; und ich war besonders von einem jungen Syrer beeindruckt, wie gut er Deutsch sprach, nach nur anderthalb Jahren.
Beim Abschied gab es warmes Händedrücken, jeder gab den anderen gute Wünsche mit auf den Weg, viele strahlende Gesichter schwärmten nach und nach aus der Bahnhofhalle. Und wenn auch die Müdigkeit die meisten etwas überkam auf dem Heimweg, so waren wir doch alle erfüllt von der Erinnerung an den schönen, frohen Tag......und schon am Montag, auf dem Heimweg, sah ich einen der Teilnehmer, den ich ja nun kannte, an der Bushaltestelle und wir winkten uns zu.
25. Juni 2018
Franziska Giertz, VTK Reinach
Weitere Bilder zu diesem Anlass siehe Bericht gleichen Datums "Farbe bekennen – ein Tanzprojekt der HEKS"